34 Euro pro Quadratmeter – Mikroapartments zu horrenden Preisen sorgen für Widerstand in Leipzig

In Leipzig entstehen nicht nur teure Apartmenthäuser für Studierende, auch in Mehrfamilienhäusern werden Mikroapartments eingerichtet. Nicht alle Mietenden sind damit einverstanden. Ein aktuelles Beispiel aus der Stockartstraße zeigt Möglichkeiten und Grenzen des Widerstands.

485 Euro warm für 14 Quadratmeter, sprich 34 Euro pro Quadratmeter – so weist es eine Anzeige auf dem Internetportal WG Gesucht für ein Zimmer in einer 6er WG in der Connewitzer Stockartstraße aus. Dieser Betrag mag für einen Durchschnittsverdiener in Leipzig astronomisch erscheinen, wird jedoch zunehmend für Studierenden-Wohngemeinschaften in der Stadt zur Realität.

Nicht nur sprießen sogenannte »Microapartment-Häuser« mit möblierten Zimmern aus dem Boden – zuletzt wurde eins in der Bornaischen Straße 20/22 über dem Netto in Connewitz eröffnet –, sondern auch in Mehrfamilien-Mietshäusern werden Wohnungen vermehrt zu WG-Zimmern umgebaut, wie in der Stockartstraße 24 in Leipzig-Connewitz, der bürgerlichen Seite der bekannten Straße, für die die Anzeige auf dem WG-Internetportal wirbt.

Eine Mieterin namens Samira* berichtet dem kreuzer: »Die 6er-WG in unserem Haus hat Mietverträge über Gesamtwohnraumgrößen von circa 7 bis 15 Quadratmeter mit Warmmietpreisen von etwa 380 bis 490 Euro. In diese Wohnung wurden nicht nur Wände eingefügt, um aus drei Räumen fünf zu machen, sondern auch die Küche entfliest, zurückgebaut und daraus ein sechstes Zimmer gemacht.«

Zuvor gab es einen Eigentümerwechsel, die Firma MW Immo Group übernahm die Verwaltung für alle Wohnungen von Einzeleigentümern im Haus – und kündigte den Mieterinnen und Mietern der Wohnung der heutigen 6er-WG sowie denen der Dachgeschosswohnung wegen Eigenbedarfs, wie aus Kündigungen hervorgeht, die dem kreuzer vorliegen. Dies nährte die Angst der übrigen Mieterinnen und Mieter, dass Wündrich auch die weiteren Wohnungen im Haus kaufen und entmieten würde, um die Wohnungen zu WGs umzubauen, die dann teuer vermietet werden.

Milieuschutz gegen Verdrängung

Ganz offensichtlich handelt es sich dabei nicht um Eigenbedarf. Zudem konnten die umtriebigen Hausbewohnerinnen und -bewohner ermitteln, dass der Umbau ohne Genehmigung des zuständigen Bauamtes erfolgte. Das geht auch aus der Antwort des Leipziger Baudezernats auf eine Anfrage der Linksfraktion im Stadtrat aus dem Oktober 2023 hervor.

Denn die Stockartstraße liegt in einem der acht Sozialen Erhaltungsgebiete in Leipzig. Die in diesen Gebieten geltenden soziale Erhaltungs- oder auch Milieuschutzsatzungen sind städtebauliche Instrumente, die der Stadtrat auf Basis von Untersuchungen für besonders von Aufwertung und Verdrängung geprägten Quartieren festlegt.

Hier soll die Wohnbevölkerung vor Verdrängung geschützt werden. Dafür sind bestimmte Umbauten und Nutzungsänderungen, wie Grundrissänderungen, der Einbau eines zweiten Bades oder Balkons unter einen Genehmigungsvorbehalt der Stadt gestellt und können auch unterbunden werden.

Fünf Verfahren wegen ungenehmigten baulichen Veränderungen in Leipzig

Das Amt für Wohnungsbauförderung und Stadterneuerung (AWS) bestätigte gegenüber dem kreuzer, dass es im Fall der Stockartstraße einen Verstoß gegen das Genehmigungserfordernis gab. Grundrissänderungen hin zu Studentenapartments bzw. Microapartments durch den Einbau von nichttragenden Wänden sind in den Erhaltungsgebieten nicht genehmigungsfähig.

Bereits in den Jahren 2021 und 2022 machte das Immobilienunternehmen United Capital mit dem Umbau von Mietwohnungen zu winzigen Studierenden-Apartments auf sich aufmerksam.

Wie im Fall der Stockartstraße waren es Nachbarn, die den Verstoß bemerkten und sich an das städtische Amt wandten. Aktuell läuft wegen der baulichen Änderungen in der Harnackstraße 10 in Reudnitz ein Ordnungswidrigkeitsverfahren, bei dem Bußgelder bis zu 30.000 Euro verhängt werden können.

Laut AWS befinden sich fünf Verfahren zu ungenehmigten baulichen Änderungen in der Prüfung, je eins im Satzungsgebiet am Lene-Voigt-Park, in Lindenau, Alt-Lindenau, in der Eisenbahnstraße und in Connewitz – hier in der Stockartstraße 24, vier davon betreffen bauliche Änderungen in Wohnungen. Eine Nutzungsuntersagung oder ein Rückbau könnten per behördlicher Anordnung erfolgen, aber bisher ist dies in Leipzig noch nicht geschehen.

Regionalentwicklungsministerium stellt sich gegen erweiterten Mieterschutz

Es bedarf informierter und engagierter Nachbarschaften und Mieterinnen und Mieter, um Verstöße gegen Genehmigungserfordernisse zu erkennen und dem zuständigen Amt für Wohnungsbauförderung und Stadterneuerung zu melden. Die Stadt plant eine Evaluierung der Wirkung der Erhaltungsgebiete für das Jahr 2025 und führt ab 2024 Befragungen der Haushalte in den betreffenden Gebieten durch.

Samira von der Hausgemeinschaft in der Stockartstraße 24 appelliert an eine konsequentere Umsetzung der sozialen Erhaltungssatzungen. Sie sieht in der schnellen Durchsetzung von Rückbau und einheitlichem Auftreten der Ämter die einzige Möglichkeit, den boomenden Markt für Mikroapartments einzudämmen.

Bußgelder allein reichten nicht aus, wenn sie bundesweit auf eine Höchstsumme festgelegt sind und Immobilienunternehmen sie in ihr Geschäft einkalkulieren können.

Einen Erfolg hat die Connewitzer Hausgemeinschaft schon erzielt: Die MW Immo Group wurde inzwischen als Hausverwalter entlassen. Damit ist die Gefahr gebannt, dass Wündrich sein Geschäftsmodell in diesem Haus ausweitet.

Den Rausschmiss von Mieterinnen und Mietern aus Wohnungen, die zu lukrativen Appartements umgebaut werden sollen, werden allerdings auch die Milieuschutzregeln nicht verhindern. Der Mieterverein Leipzig rät Eigenbedarfskündigungen nicht einfach hinzunehmen.

Nach geltendem Recht sind Mieterinnen und Mieter von Wohnungen, die ihren Eigentümer wechseln, drei Jahre vor Kündigung geschützt. Diese Frist kann ein Bundesland auf zehn Jahre verlängern und damit das Geschäft mit Wohnungen zumindest eindämmen und Mieterinnen und Mieter von verkauften Wohnungen besser schützen.

Diese Regelung beim Freistaat Sachsen zu beantragen, hatte der Stadtrat auf Initiative der Linksfraktion im Juni letzten Jahres beschlossen. Im Oktober erteilte das Regionalentwicklungsministerium von Minister Thomas Schmidt (CDU) dem Vorstoß eine Absage.

*Der Name der Mieterin wurde aus Datenschutzgründen geändert. Der echte Name ist der Redaktion bekannt.